Streitereien unter Kindern sind wichtig und richtig. In einem gesunden Streit lernen Kinder sich selbst und den Anderen besser kennen, sie lernen eigene Grenzen zu setzen und die Grenzen des Gegenübers zu akzeptieren und sie lernen sich durchzusetzen und auch mal nachzugeben.
Oftmals wirken Streitigkeiten schlimmer, als sie tatsächlich sind. Daher
ist es wichtig, zuerst einmal mit etwas Distanz abzuschätzen, wie dramatisch
der Streit wirklich ist. Manchmal sind Streitereien und Zankereien unter Kindern
hollywoodreife Inszenierungen, welche deutlich an Spannung verlieren, wenn das
Publikum fernbleibt. Für Eltern heisst das also abwarten und (Beruhigungs-)Tee
trinken – denn in den allermeisten Fällen finden die Kinder selber eine Lösung
für ihr Problem.
Wird ein Kind im Streit gewalttätig, indem es das andere Kind schlägt,
beisst oder tritt, müssen wir Eltern meiner Meinung nach eingreifen. Wir sagen
ihm ruhig (!) und bestimmt: „Ich sehe, du bist gerade sehr, sehr wütend... Ich
möchte dir gerne helfen, die Unstimmigkeit fair zu bereinigen.“ Vermutlich müssen
die Kinder zuerst ihre Wut loszuwerden, bevor sie sich auf diese Vermittlung
einlassen können. Auf den Boden stampfen, in ein Polster boxen, einen Ballon
zerplatzen, ins Kissen schreien oder das Gefühl zu Papier bringen – bei der
Vertreibung des „Wutmonsters“ ist Phantasie und Humor gefragt.
Wenn wir unseren Kindern helfen möchten, eine Lösung für ihr Problem zu
finden, nehmen wir am besten eine Art Dolmetscher-Rolle ein. Aufgebrachte
Kinder sprechen oft in Vorwürfen und Anschuldigungen miteinander. „Immer machst
du... Nie fragst du mich... Du hast schon wieder...“ Unsere Aufgabe ist es, das
Gefühl, welches hinter diesen Sätzen steckt, für das Kind zu benennen. „Anna ist
wütend, weil... Ben hätte sich gewünscht, dass... Anna ist wichtig, dass... Am
liebsten hätte/würde Ben... Anna möchte/würde auf keinen Fall... Ben ist
enttäuscht, weil...“ So fällt es den Kindern leichter, konstruktiv auf die
Äusserungen des Anderen zu reagieren.
Und zum Schluss noch dies: Zum Streiten gehört auch das
Sich-Wieder-Vertragen. Damit meine ich nicht unbedingt, dass sich die Kinder
die Hand geben und „Entschuldigung“ brummen müssen. Viel wichtiger scheint mir,
dass die Kinder erfahren, dass nach dem Gewitter die Sonne hervorkommt und auch
nach dem Streit ein friedliches Miteinander wieder möglich ist.