Mittwoch, 26. April 2017

Eingreifen oder nicht?


Streitereien unter Kindern sind wichtig und richtig. In einem gesunden Streit lernen Kinder sich selbst und den Anderen besser kennen, sie lernen eigene Grenzen zu setzen und die Grenzen des Gegenübers zu akzeptieren und sie lernen sich durchzusetzen und auch mal nachzugeben.

Oftmals wirken Streitigkeiten schlimmer, als sie tatsächlich sind. Daher ist es wichtig, zuerst einmal mit etwas Distanz abzuschätzen, wie dramatisch der Streit wirklich ist. Manchmal sind Streitereien und Zankereien unter Kindern hollywoodreife Inszenierungen, welche deutlich an Spannung verlieren, wenn das Publikum fernbleibt. Für Eltern heisst das also abwarten und (Beruhigungs-)Tee trinken – denn in den allermeisten Fällen finden die Kinder selber eine Lösung für ihr Problem.

Wird ein Kind im Streit gewalttätig, indem es das andere Kind schlägt, beisst oder tritt, müssen wir Eltern meiner Meinung nach eingreifen. Wir sagen ihm ruhig (!) und bestimmt: „Ich sehe, du bist gerade sehr, sehr wütend... Ich möchte dir gerne helfen, die Unstimmigkeit fair zu bereinigen.“ Vermutlich müssen die Kinder zuerst ihre Wut loszuwerden, bevor sie sich auf diese Vermittlung einlassen können. Auf den Boden stampfen, in ein Polster boxen, einen Ballon zerplatzen, ins Kissen schreien oder das Gefühl zu Papier bringen – bei der Vertreibung des „Wutmonsters“ ist Phantasie und Humor gefragt.

Wenn wir unseren Kindern helfen möchten, eine Lösung für ihr Problem zu finden, nehmen wir am besten eine Art Dolmetscher-Rolle ein. Aufgebrachte Kinder sprechen oft in Vorwürfen und Anschuldigungen miteinander. „Immer machst du... Nie fragst du mich... Du hast schon wieder...“ Unsere Aufgabe ist es, das Gefühl, welches hinter diesen Sätzen steckt, für das Kind zu benennen. „Anna ist wütend, weil... Ben hätte sich gewünscht, dass... Anna ist wichtig, dass... Am liebsten hätte/würde Ben... Anna möchte/würde auf keinen Fall... Ben ist enttäuscht, weil...“ So fällt es den Kindern leichter, konstruktiv auf die Äusserungen des Anderen zu reagieren.

Und zum Schluss noch dies: Zum Streiten gehört auch das Sich-Wieder-Vertragen. Damit meine ich nicht unbedingt, dass sich die Kinder die Hand geben und „Entschuldigung“ brummen müssen. Viel wichtiger scheint mir, dass die Kinder erfahren, dass nach dem Gewitter die Sonne hervorkommt und auch nach dem Streit ein friedliches Miteinander wieder möglich ist.


www.redeweise.ch
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel

Mittwoch, 12. April 2017

Geschwister-Streit

Mal unter uns: Streitende Geschwisterkinder können unsere Nerven ganz schön strapazieren.

Da liegt zum Beispiel ein Plüschhase wochenlang (!) unbeachtet in einer Ecke und staubt vor sich hin - doch kaum nimmt eines der Kinder diesen Hasen in die Hand, wird es augenblicklich zum beliebtesten Spielobjekt seiner übrigen Geschwister. Da wird gezerrt, geschrien, getreten und gezetert... und zwar so lange, bis sich entweder der Plüschhase „freiwillig“ in so viele Einzelteile zerlegt, wie es Geschwister hat oder die Eltern zur Hilfe eilen, um den Streit zu schlichten. Ok, soweit der Plan.

In der Umsetzung sieht es dann jedoch so aus, dass sich der Konflikt mit dem Eingreifen des Elternteils noch weiter zuspitzt. Automatisch übernehmen wir Partei für eines unserer Kinder: entweder für das jüngste Kind (es ist ja schliesslich schwächer), für das älteste Kind (es war zuerst da), für das mittlere Kind (es fällt sonst schon häufig zwischen Tisch und Bank), für das Kind, welches den verwaisten Plüschhasen entdeckt hat (der Erste ist der Schnellste), für das Kind, in dessen Zimmer der Streit entfacht wurde (somit wird es sich um sein Eigentum handeln) oder das Kind, das am lautesten schreit (da muss was Schlimmes vorgefallen sein).

Im besten Fall richtet sich daraufhin der gesamte Ärger der nun wieder verbündeten Kinder gegen uns – somit wäre der Frieden unter den Geschwistern kurzzeitig wieder hergestellt. Oder aber die „benachteiligten“ Geschwisterkinder bekommen einen zusätzlichen Groll gegenüber dem „bevorzugten“ Geschwisterkind. Das „unterstützte“ Kind fühlt sich geschwächt, da es durch unser Eingreifen das Gefühl bekommt, es selbst nicht zu schaffen.

Wie also soll ich mich als Elternteil in dieser Situation verhalten? Oftmals finden die streitenden Kinder selbst eine Lösung, wenn sie spüren, dass wir den Streit bzw. das Problem bei ihnen lassen und nicht mehr bereit sind, uns einzumischen. Wenn sie unsere Unterstützung brauchen, können wir ihnen als neutralen Vermittler aufzeigen, wie sie miteinander reden können, um eine Lösung zu finden, welche für alle Beteiligten stimmt. Es ist sehr erstaunlich, welch kreative Lösungen die Kinder dabei herausfinden.

Und zum Schluss noch dies: Streit unter Geschwistern ist nicht nur nervenaufreibend, sondern auch normal und gesund. Nirgends können unsere Kinder das Streiten besser üben als mit ihren Geschwistern – denn einen Freund oder eine Freundin kann das Kind womöglich im Streit verlieren, Bruder und Schwester bleiben sie jedoch ein Leben lang!


www.redeweise.ch
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel