Donnerstag, 18. April 2019

Kindern beim Lösen ihrer Probleme helfen

Unsere Kinder haben sich in letzter Zeit immer häufiger darüber gestritten, wer wann und für wie lange auf unserem Klavier spielen darf. Darum habe ich angeboten, ihnen dabei zu helfen, dieses Problem selbst zu lösen. 

Zuerst habe ich die beiden ermuntert, Lösungsvorschläge zu nennen, wie sie dieses Klavier-Problem lösen könnten. Ich habe darauf geachtet, dass sie in dieser Phase die Ideen nicht kommentierten oder beurteilten - sondern alle Vorschläge auf einer Liste gesammelt:

  • nur unsere Tochter darf das Klavier benutzen 
  • nur unser Sohn darf das Klavier benutzen
  • niemand darf Klavier spielen
  • es dürfen nur diejenigen Klavier spielen, bei denen es schön klingt
  • einen (Wochen-)Plan erstellen, an welchem Tag welches Kind Klavier spielen darf
  • jedes Kind bekommt eine Anzahl Bätzeli, welche sie fürs Klavier spielen benutzen müssen
  • eine Liste beim Klavier aufhängen, wo sie sich eintragen, wenn sie Klavier spielen möchten

Beim nächsten Schritt habe ich unsere Kinder aufgefordert, die verschiedenen Lösungsvorschläge zu vergleichen und die Vor- bzw. Nachteile aller Ideen abzuwägen. Die ersten drei Punkte wurden von den beiden direkt wieder gestrichen, weil sie es "unfair" fanden. Der vierte Punkt gab etwas mehr zu diskutieren: einerseits waren sie der Meinung, dass es für die Zuhörer angenehmer ist, wenn das Gespielte schön klingt - andererseits merkten sie auch, dass ja zuerst geübt werden muss, damit es schön klingt. Bei den letzten drei Punkten sahen sie sowohl Plus- als auch Minuspunkte und kamen ins Gespräch über Aufwand und Nutzen der einzelnen Ideen.

Sie haben sich letztlich für die Variante mit den Bätzeli entschieden und gingen in die Planung über. Sieben Bätzeli pro Woche seien die richtige Anzahl, entschieden sie. Am Ende der Woche sollen die nicht benutzten Bätzeli verfallen und jeder die gebrauchten Bätzeli wieder zurück erhalten, damit alle erneut mit sieben Stück in die Woche startet. Als Bätzeli benutzten sie gebrauchte Nespresso-Kapseln in zwei verschiedenen Farben, welche sie platt stampften. Sie stellten eine kleine Schatztruhen-Spardose aufs Klavier, in welche sie die Bätzeli werfen können, wenn sie Klavier spielen. Ich beobachtete die beiden, wie sie sich friedlich ans Werk machten und spürte die sichtlich gelöste Stimmung zwischen den beiden.

Und wisst ihr, was nachher geschah? 

Sie brauchen diese Bätzeli und die Spardose gar nicht (mehr)... 🙈😅 Wenn das Klavier frei ist, spielt manchmal unsere Tochter darauf, manchmal unser Sohn und manchmal spielen sie sogar zusammen.

Du bist der Meinung, dass sich der ganze Aufwand gar nicht gelohnt hat? Du denkst, das hätten wir unter diesen Umständen ebenso gut lassen können?

Ich sehe das definitiv anders, denn unsere Kinder haben Einiges dabei gelernt: Sie haben erfahren, dass ich sie und ihre Bedürfnisse ernst nehme und dass ich ihnen zutraue, dass sie gemeinsam eine Lösung finden, die für beide in Ordnung ist. Sie haben ihre eigenen Wünsche in Worte gefasst und sich die des Gegenübers angehört. Sie haben gemeinsam nach kreativen Lösungen gesucht, diese miteinander verglichen und die aus ihrer Sicht beste Idee in die Tat umgesetzt. 

Und das Beste überhaupt: sie sind sich durch diesen Konflikt - oder besser gesagt durch die Art und Weise, wie sie diesen Konflikt gelöst haben - näher gekommen und streiten sich (im Moment) deutlich weniger.


Liebe Grüessli,
Barbara



Erziehung ist (k)ein Kinderspiel 



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